Wie lässt sich mit der Nervosität in der mündlichen Prüfung des Steuerberater-Examens umgehen? Was läuft oft schon im Schriftlichen schief? Markus Heinlein ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei RSM Ebner Stolz tätig und prüft seit über 20 Jahren Examenskandidaten für die Steuerberaterkammer Stuttgart. Seine Tipps und Erfahrungen.
TaxTalents: Herr Heinlein, wie kamen Sie dazu, Prüfer bei dem Steuerberater-Examen zu werden?
WP/StB Markus Heinlein: Die Prüfungskommission setzt sich ja hälftig aus Angehörigen der Finanzverwaltung und des Berufsstandes beziehungsweise der Industrie zusammen. Ich wurde direkt über die Kammer angesprochen, nachdem ich selbst erst drei Jahre zuvor das Examen abgelegt hatte. Das war 2004, und ich habe gedacht, das mache ich jetzt für ein paar Jahre.
TaxTalents: Inzwischen sind es 20 Jahre... Was hat Sie damals motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen, und warum machen Sie es heute noch immer?
Markus Heinlein: Der zeitliche Aufwand summiert sich vielleicht auf anderthalb Arbeitswochen im Jahr, denn neben den mündlichen Prüfungstagen begutachte ich auch 20 Klausuren als Erst- und 40 als Zweitkorrektor. Dafür gibt es zwar eine kleine Aufwandsentschädigung – aber aus finanziellen Gründen macht man das sicherlich nicht. Für mich stand im Vordergrund, dass ich Verantwortung für den Berufsstand übernehmen wollte, denn es muss Menschen geben, die das tun, damit neue Kolleginnen und Kollegen nachkommen können. Außerdem fand ich es spannend, am Puls der Zeit zu sein und mir zudem darüber ein Netzwerk aufzubauen
TaxTalents: Sie haben einen langjährigen Einblick. Hat sich an den Umständen und der Atmosphäre der Prüfung während der vergangenen zwei Jahrzehnte Wesentliches verändert?
Markus Heinlein: Tatsächlich werden die Prüflinge immer jünger. Das hat mit dem G8-Schulabschluss, dem Bologna-Prozess und der reduzierten verpflichtenden berufspraktischen Zeit zu tun. Ein 22-jähriger Kandidat ist deutlich unerfahrener als ein 26-jähriger – das merken Sie auch in der Prüfung. Außerdem kommt für einige noch eine zusätzliche Schwierigkeit hinzu: In den großen Gesellschaften arbeiten auch Berufseinsteiger schon sehr früh sehr spezialisiert, das macht die generalistisch angelegte Prüfung nicht einfacher.
TaxTalents: Wie erleben Sie und die Prüflinge generell die Situation in der mündlichen Prüfung?
Markus Heinlein: Es herrscht zumeist eine sehr gespannte Atmosphäre. Sie dürfen nicht vergessen: Aus Sicht des in aller Regel sehr jungen Examenskandidaten sitzen da sechs mehr oder weniger alte Prüfer, die es zu überzeugen gilt. Außerdem kommen viele ja nicht gerade mit einem komfortablen Polster aus der schriftlichen Prüfung, das steigert die Aufregung zusätzlich. Wir versuchen das aufzulockern, was aber anfangs zugegebenermaßen nur eingeschränkt funktioniert. Allerdings gibt es auch Prüfungen, bei denen die Kandidaten zumeist wegen besserer Ausgangsnote lockerer sind – insofern gibt es von lustig bis zäh alle Varianten.
TaxTalents: Gibt es Dinge, die für Sie aus dem Rahmen fallen?
Markus Heinlein: Unser Ziel ist, die Kandidaten durchzubringen, es wird keineswegs auf Durchfallen geprüft, aber nicht in allen Fällen klappt es. Und wenn jemand dann den letzten Versuch unternimmt – und Sie können ihn nicht bestehen lassen, dann ist das sehr bitter. Allerdings kam das in meinen mehr als zwanzig Jahren Prüfungstätigkeit bislang auch nur wirklich sehr selten vor.
TaxTalents: Wie lässt sich mit dem Thema Nervosität umgehen?
Markus Heinlein: Es steht und fällt mit der Vorbereitung. Ich rate jedem, sich über ein Jahr lang kontinuierlich vorzubereiten. Es genügt meines Erachtens für die meisten Kandidaten nicht, diese Prüfung im Drei-Monats-Schnellverfahren anzugehen. Klausurtechnik ist das A und O, neben dem guten Zeitmanagement. Wichtig ist, sich strukturiert, aber nicht übertrieben vorzubereiten und sich auch bewusst Auszeiten zu nehmen. Es ist kontraproduktiv, wenn die Leute schon fix und fertig in die Prüfung kommen.
TaxTalents: Welche Dinge machen Examenskandidaten – abgesehen von fachlichen Fehlern – häufig in Prüfungen falsch?
Markus Heinlein: Ich rate dringend dazu, sich Zeit zu nehmen, um den Sachverhalt gründlich zweimal durchzulesen. Da stehen nicht umsonst manchmal Jahreszahlen, Angaben zum Lebensalter oder vergleichbare "Signale" drin. Tatsächlich erlebe ich öfter, dass die Leute nur oberflächlich lesen, dann gleich drauf los schreiben und nach zwei Stunden merken, dass es in die falsche Richtung geht.
TaxTalents: Gibt es einen ultimativen Tipp, den Sie Steuerberaterkandidaten geben können?
Markus Heinlein: Eigentlich sogar zwei. Erstens sollten die Leute genau reflektieren, ob sie tatsächlich schon so weit sind, die Prüfung anzutreten. Nur weil der Kollege in die Prüfung geht, heißt das nicht, dass ich auch zu diesem Zeitpunkt gehen muss. Das zweite ist, dass ich immer wieder erlebe, dass die Leute beim ersten Versuch nach ein oder zwei Tagen zurückziehen. Davon rate ich dringend ab, denn nach der schriftlichen Prüfung hat niemand ein gutes Gefühl. Ziehen Sie beim ersten Versuch in jedem Fall immer durch!
TaxTalents: Noch einmal zur Prüfung selbst – wie schätzen Sie diese ein?
Markus Heinlein: Als dringend reformbedürftig, die Bestrebungen dazu sind ja im Gange. Die Prüfung ist in ihrer Form seit Jahrzehnten nahezu unverändert, aber die Welt ist in der Zwischenzeit viel komplexer geworden. Außerdem muss man auch fragen, ob es noch zeitgemäß ist, mehrere Stunden mit der Hand schreiben zu müssen, nachdem wir das in keinem anderen Lebensbereich mehr tun. Hier gibt es jedoch bereits insofern Fortschritte, als in einzelnen Bundesländern das Steuerberaterexamen zwischenzeitlich per Computer abgelegt werden kann.
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