Es ist längst keine Seltenheit mehr, dass Steuerkanzleien Mandanten* abweisen müssen, weil das erforderliche Personal fehlt. Vielmehr entwickelt sich dieser Zustand zum unerwünschten Alltag vieler Steuerkanzleien. Immer mehr Kanzleien haben ein Nachwuchsproblem.
Einige Steuerberater suchen seit Jahren händeringend nach Verstärkung: Wie sollen die vielen Mandanten betreut werden, die an die Türen klopfen? Gerade in ländlicheren Gegenden fehlt es an Nachwuchs-Steuerberatern und Steuerfachangestellten, die erfahrenen Steuerberatern nicht nur unter die Arme greifen sollen, sondern in Zukunft auch ihre Kanzleien übernehmen könnten.
Doch wie kommt es zu diesem Zustand? Weshalb findet sich kein Nachwuchs für den attraktiven und gut bezahlten Beruf des Steuerberaters? Und wie lässt sich das Problem lösen? - Mehr dazu in unserem Tax Talents-Artikel.
Grundsätzlich wirkt die Entwicklung in der Steuerbranche erfreulich, wenn man sich auf die nackten Zahlen stürzt:
Dennoch erhalten Steuerkanzleien immer weniger Bewerbungen auf ihre Annoncen. Im Vergleich zu dem regelrechten Hype um den Steuerberaterberuf vor einigen Jahren herrscht nun gähnende Leere in der Personalabteilung.
Auch der Arbeitsmarkt hat sich verändert: Es entsteht der Eindruck, dass es nicht die Bewerber sind, die um Jobs kämpfen müssen - sondern die Unternehmen, die versuchen, den Nachwuchs von sich zu überzeugen. Auf diesen neuen Standard müssen sich viele Arbeitgeber - und das branchenübergreifend - erst einmal einstellen.
Problematischer sieht die Situation im Hinblick auf den Nachwuchs an Steuerfachangestellten aus:
Wir leben also in einer Zeit, in der Arbeitgeber mehr bieten müssen als einen sicheren Arbeitsplatz. Doch was ist die Lösung?
Zurück zu den Steuerberatern: 2021 gab es in Deutschland 87.607 Steuerberater. 55,9 % von Ihnen - somit mehr als die Hälfte - waren über 50 Jahre alt. Die Steuerbranche altert also unabhängig davon, ob es einen Nachwuchsmangel gibt.
Es geht noch weiter: 17,7 % der Steuerberater sind über 60 Jahre alt und werden vermutlich in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Die Anzahl der Steuerberater, die nachrücken, reicht bei weitem nicht aus, um diese Lücke zu füllen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Stimmen immer lauter werden, die dazu appellieren, die gesamte Ausbildungsstruktur einmal zu überdenken.
Es ist kein Geheimnis, dass die Steuerberaterprüfung eine der anspruchsvollsten Prüfungen in Deutschland ist. Jedenfalls steht sie dem Staatsexamen der Juristen im Hinblick auf den komplexen Prüfungsstoff in nichts nach. Angehende Steuerberater bereiten sich mitunter 1,5 bis 2 Jahre auf diese Prüfung vor, nehmen dafür unbezahlten Urlaub, lassen Familie, Freunde und die private Lebensgestaltung schleifen, um für die Prüfungen zu pauken.
Hinzu kommen hohe Durchfallquoten, 2019 lag diese bei 42 %. Im Umkehrschluss: Nur knapp die Hälfte der Kandidaten schafft es, nach 2 Jahren intensivem Lernen die Steuerberaterprüfung zu bestehen. Wenn Sie sich diese Zahlen vor Augen führen, würden Sie sich für eine Karriere als Steuerberater entscheiden oder sich doch lieber einen anderen Bildungsweg aussuchen?
Für Kanzleien, die im ländlichen Raum angesiedelt sind, kann der geringe Zuwachs an Steuerberatern und der Rückgang bei Steuerfachangestellten zum Verhängnis werden. Wie in allen Branchen und in der gesamten Bevölkerung zu beobachten, leiden auch die Steuerkanzleien unter der Landflucht.
Immer mehr Menschen, insbesondere die jungen, zieht es in die Städte. Hier studieren sie und lassen sich dort immer öfter auch nieder, statt wieder in ihre Heimatorte zurückzukehren. Daher wächst der Personalmangel auf dem Land deutlich schneller als in der Stadt.
Kanzleien müssen viel Überzeugungsarbeit leisten, ihre Gegend positiv bewerben und die vorhandene Infrastruktur anpreisen. Aber auch das hilft nicht viel. Auch deshalb nicht, weil der ländliche Raum oft keine oder wenig Infrastruktur hat.
Um den Nachwuchs für sich zu gewinnen, reicht die regionale Sichtbarkeit der Steuerkanzleien nicht mehr aus. Kanzleien müssen sich regelrecht bei potenziellen Arbeitnehmern »bewerben» - sprich: auch etwas zu bieten haben.
Die Tage, in denen feste Arbeitszeiten und ein halbwegs gutes Gehalt ausreichten, um Nachwuchs anzulocken, sind gezählt. Stattdessen können folgende Modelle für junge Menschen einen Anreiz darstellen, sich bei Steuerkanzleien zu bewerben:
Diese Ideen sollten allerdings nur dann Einzug in Ihre Kanzlei finden, wenn Sie mit Ihrer Unternehmenskultur und den Werten in Ihrer Kanzlei tatsächlich dahinterstehen.
Viele Steuerkanzleien stehen innovativen Arbeitsmodellen skeptisch gegenüber - aber genau hier liegt die Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben. Zeigen Sie Vertrauen in Ihre Angestellten und probieren Sie verschiedene Modelle aus, zum Beispiel in engem Austausch mit jungen Steuerberatern.
Personalmangel ist ein ernstzunehmendes Problem in der Steuerbranche: Immer weniger Stellen können besetzt werden, die Steuerbranche altert vor sich hin. Es gibt allerdings viele verschiedene Möglichkeiten, sich von der Konkurrenz abzuheben und den Nachwuchs für sich zu begeistern.
Vielen Steuerberatern bereitet es Unbehagen, in Ihrer Kanzlei neue Wege zu gehen, aber Mut zahlt sich aus. Schon kleine Veränderung können die Anzahl der eintreffenden Bewerbungen steigern und gleichzeitig das Arbeitsklima innerhalb Ihrer Steuerkanzlei nachhaltig verbessern.
* Um den Text leicht verständlich und unkompliziert zu halten, haben wir uns für die Nutzung des generischen Maskulinums, also der männlichen Form aller Hauptwörter, entschieden. Wir möchten aber niemanden ausschließen und weisen deshalb darauf hin, dass trotz der männlichen Form alle Geschlechter gemeint sind. Gerade die Branche der Steuerberatung ist sehr männlich dominiert. Wir wünschen uns unbedingt mehr Diversität in diesem Berufsfeld. Daher gilt: all genders are welcome!
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