Viele Menschen halten die Steuerbranche für langweilig, trocken oder eintönig. Die Arbeit als Steuerberater* oder als Angestellter in einer Steuerkanzlei gilt als unflexibler, konservativer 9to5-Bürojob. Das schreckt insbesondere junge Arbeitnehmer ab. Kein Wunder also, dass in Steuerkanzleien ein regelrechter Nachwuchsmangel herrscht.

Dabei ist die Steuerbranche alles andere als langweilig! Im Gegenteil: Es warten spannende Aufgabe, abwechslungsreiche Arbeitstage, viel Kundenkontakt und ein hohes Maß an Verantwortung auf die Nachwuchskräfte. Wie also schaffen es Arbeitgeber, dies potenziellen Arbeitnehmern und jungen Talenten zu vermitteln? - Wir zeigen Ihnen, wie das gehen kann.

Warum gilt die Steuerbranche als "verstaubt"?

Während Steuerberater und Fachangestellte in der Steuerbranche wissen, wie anspruchsvoll die Arbeit von Steuerkanzleien ist, gilt das nicht für Menschen, die kaum oder wenig Kontakt zu diesem Bereich hatten. Sie können meist nicht einschätzen, wie groß das Leistungsspektrum der Steuerberater und Steuerfachangestellten ist und wie ihre Arbeit aussieht.

Steuerberatung wird zwar als wichtige Branche angesehen und genießt einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, allerdings wird eine Steuerkanzlei oft nicht als spannender, attraktiver Arbeitsplatz wahrgenommen. Ähnlich wie in der Rechtsbranche sehen die meisten hier einen normalen Bürojob, bei dem die Mitarbeiter täglich von 9 bis 17 Uhr brav am Schreibtisch sitzen und Papierkram erledigen, Excel-Dateien erstellen oder E-Mails mit komplizierten Fragen beantworten.

Viele Steuerkanzleien präsentieren sich allerdings auch genauso: Sie »werben» in ihren Stellenanzeigen und auf der Website regelrecht mit einem konservativen Bürojob. Sie verharren in alten Strukturen und setzen an falscher Stelle auf ein seriöses, verantwortungsvolles Auftreten. Dadurch entsteht schnell der Eindruck, sie hätten den aktuellen Wandel in der Arbeitswelt nicht erkannt und wüssten nicht, wie Arbeitsmodelle der Zukunft aussehen können und vielleicht auch müssen.

Personalmangel in Steuerkanzleien

Insbesondere junge Nachwuchskräfte schreckt das konservative Erscheinungsbild und Arbeitsmodell ab. Das liegt vor allem daran, dass sich in den jüngeren Generationen andere Wünsche und Bedürfnisse zum Thema Arbeitsweise entwickelt haben.

Steuerkanzleien verzeichnen zudem eine drastische Alterung im Berufsstand: 2021 waren 55,9% der Steuerberater in Deutschland über 50 Jahre als, 17,7% sogar über 60. Zwar stieg die Anzahl der jungen Steuerberater in den letzten Jahren leicht an. Den Hype rund um den Steuerberuf, der sich vor einigen Jahren bemerkbar machte, kann die aktuelle Entwicklung jedoch nicht übertreffen. Und so werden in den nächsten Jahren viele Steuerberater in den wohlverdienten Ruhestand gehen - ihr Schreibtisch wird jedoch leer bleiben.

Problematisch ist auch der Nachwuchsmangel bei den Ausbildungsberufen wie den Steuerfachangestellten. Von 2020 auf 2021 sank die Zahl der Auszubildenen um 2,3%. Hier wird in den nächsten Jahren ein reales Nachwuchsproblem erwartet, der auch in anderen Bereichen allgemein als »Fachkräftemangel» bezeichnet wird.

Fakt ist: Ohne Assistenten sind Steuerkanzleien und andere Arbeitgeber im Steuerwesen aufgeschmissen. Wie lässt sich jedoch der Nachwuchs begeistern?

Steuerkanzleien müssen attraktiver werden

Der aktuelle Wandel in der Arbeitswelt geht in eine ungewohnte Richtung: Immer mehr Steuerkanzleien müssen sich beim Nachwuchs »bewerben», anstatt selbst zahlreiche Bewerbungen zu erhalten. Doch was wünscht sich die junge Generation im Arbeitsleben?

• Statt starrer Arbeitszeiten wünschen sich angehende Steuerexperten Flexibilität und moderne Arbeitskonzepte.
• Auch Digitalisierung spielt eine wichtige Rolle: Einige Steuerkanzleien horten immer noch Aktenberge, anstatt Daten und Dokumente digital zu bündeln.
• Zudem erwarten junge Menschen mehr Wertschätzung auf der Arbeit. Das heißt nicht, dass sie ständig gelobt werden möchten. Ihnen ist eine positive Arbeitsatmosphäre, Teambuilding und Vertrauen wichtig.
• Zunehmend relevanter wird es für junge Menschen auch, eine sinnvolle Tätigkeit Zum Beispiel, dass sie etwas Positives für ihre Mandanten und die Welt bewirken können, treibt den Nachwuchs an (sog. Purpose).

Ein wichtiges Thema ist auch die Sicherheit: Auch junge Menschen schätzen einen Job mit Perspektive. Das bedeutet aber nicht nur, Fortbildungen zu besuchen und beruflich aufzusteigen, sondern auch einen Arbeitsplatz zu haben, der mit der Zeit geht.

Tipps für Steuerkanzleien

Was also kann die Steuerkanzlei der Zukunft tun, um den Nachwuchs anzulocken und sich von der Konkurrenz abzuheben? Die Veränderungsmöglichkeiten sind vielfältig.

Fassen Sie den Mut, Veränderungen zu wagen. Geben Sie zunächst jeder Neuerung die Chance, sich zu etwas Positivem zu entfalten und Ihre Steuerkanzlei aufzuwerten.

Wir haben einige Punkte für Sie zusammengefasst, die junge Menschen von ihren Arbeitgebern erwarten und die Sie von anderen Steuerkanzleien abheben können:

4-Tage-Woche bzw. 6-Stunden-Tag

Einige Unternehmen verschiedenster Branchen setzen bereits auf dieses Modell. Arbeitnehmer profitieren von einem verlängerten Wochenende oder kürzeren Arbeitstagen und finden so einen besseren Ausgleich vom Arbeitsalltag. Das hilft nicht nur der Work-Life-Balance und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch der mentalen Gesundheit.

Auch Arbeitgeber profitieren von einem verkürzten Arbeitsmodell: Studien belegen, dass Menschen, die in innovativen Modellen arbeiten, produktiver und konzentrierter sind und alles in allem mehr Leistung bringen.

Achtung: In der Regel verdienen Arbeitnehmer dennoch etwa gleich viel, obwohl die Arbeitszeit reduziert wird. Wer denkt, mithilfe dieses Modells lediglich Kosten sparen zu können, sollte davon eher Abstand nehmen.

Überstunden reduzieren oder ganz abschaffen

Was in skandinavischen Ländern häufig die Regel ist, kann auch Ihre Steuerkanzlei in Deutschland aufwerten und für die junge Generation attraktiv machen.

Überstunden gelten beispielsweise in Schweden als verpönt, selbst der CEO geht dort pünktlich nach Hause! So lässt sich eine angenehme Arbeitszeit planen, der Stresslevel reduziert sich nachweislich und alle sind glücklicher.

Mehr Urlaubstage

Mehr Urlaub oder Brückentage nach Feiertagen führen zu gesünderen und glücklicheren Mitarbeitern - so zumindest die Erfahrung vieler Unternehmen, die innovative Arbeitsmodelle etabliert haben.

Und: Für viele potenzielle Arbeitnehmer ist das ein wichtiges Kriterium bei der Bewerbung.

Finanzielle Anreize

Nach wie vor spielt auch Geld eine entscheidende Rolle. Gerade Kanzleien in ländlichen Regionen können hier Anreize setzen, um der Landflucht entgegenzuwirken.

Das Stichwort lautet Wertschätzung: Wer gut bezahlt wird, fühlt sich im Unternehmen geschätzt und mit diesem verbunden. Gerade bei Ausbildungsberufen können Sie sich überlegen, das Gehalt - wenn möglich - etwas aufzustocken.

Flache Hierarchien

Ein gewisses Machtgefälle auf der Arbeit ist für viele ältere Generationen normal -junge Menschen können dem allerdings nicht viel abgewinnen. Sie wünschen sich Teamwork statt starrer Strukturen.

Die junge Generation will im Unternehmen ernstgenommen und wertgeschätzt werden - und auch eigene Ideen einbringen. Dabei kann es schon viel bewirken, wenn Sie im Unternehmen das »Du» einführen und nach den Wünschen, Zielen und auch nach Änderungswünschen der Mitarbeiter fragen.

Flexible Arbeitszeiten und -modelle

Immer mehr Menschen, insbesondere junge Menschen, wünschen sich flexible Arbeitszeiten und Arbeitsmodelle, die ein gewisses Grad an Freiheit zulassen. Gerade für Eltern und Familien ist dies eine große Erleichterung.

Zu den verschiedenen Modellen zählen dabei unter anderem zeitunabhängige Arbeit, Job-Sharing, Sabbatical-Angebote, Home-Office oder die Möglichkeit, digital aus dem Ausland zu arbeiten. Das hebt Kanzleien von der Konkurrenz ab und verschafft ihnen einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt.

Digitalisierung

Die Möglichkeit für Home-Office und Arbeit aus dem Ausland setzt vor allem auch ein papierloses Büro bzw. digitale Arbeitsweisen voraus. Wenige möchten noch mit hunderten Papierakten arbeiten und am Montagmorgen von einem vollen Schreibtisch begrüßt werden. Eine digitale Aktenanlage und -verwaltung ist für die Zukunftsfähigkeit Ihrer Kanzlei also ein Muss.

Fazit

All dieser Modernisierungen und Veränderungen der Arbeitswelt haben eine essenzielle Voraussetzung: Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter. Der Leistungsbereitschaft des eigenen Teams zu vertrauen, ist der Grundstein für ein gutes Arbeitsklima und sichert eine funktionierende Arbeitsweise innerhalb der Steuerkanzlei.

Neue Wege zu gehen und Veränderungen zuzulassen, ist für viele Steuerkanzleien eine große Herausforderung. Jedoch zahlen sich die meisten dieser Veränderungen am Ende aus! Ihre Mitarbeiter werden Ihre Offenheit Neuem gegenüber zu schätzen wissen. Das steigert nicht nur das Arbeitsklima und die Zufriedenheit innerhalb des Teams, sondern bindet Ihre Mitarbeiter stärker die Kanzlei. Nehmen Sie sich daher zu Herzen: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.